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... WIE EINE KERZE, DIE SICH AN BEIDEN ENDEN GLEICHZEITIG ENTZÜNDET ...


Nachruf zur Trauerfeier für Uwe Scholz in der Oper Leipzig

___ »Wen die Götter lieben«, hat eine Zeitung ihren Nachruf auf Uwe Scholz überschrieben. »Wen die Götter lieben, der stirbt jung.« Ach, das Sprichwort lügt. ___

___ VON KLAUS GEITEL ___


___ Gewiss - Uwe Scholz ist tragischerweise jung gestorben. Die Götter jedoch, aber auch jene, die sich irrigerweise für Götter halten und hielten, haben ihn nicht geliebt. Im Gegenteil. Sie haben ihn nur zu oft gedemütigt, angezweifelt, gelähmt, fallen lassen, sein grandioses Talent verkannt. ___


___ Im Nachhinein nimmt sich sogar seine erschreckende Solo-Version von Strawinskys »Sacre du Printemps« wie ein beklemmender Ausschnitt aus einer choregrafierten Autobiografie aus. Manchmal führt der Weg großer Künstler eben nicht in die lorbeerumkränzte Einsamkeit, sondern in nichts als tiefe Ausweglosigkeit. ___


Uwe Scholz

Foto: Andreas Birkigt

___ Diesen Weg hat das Schicksal Uwe Scholz offenbar vorgezeichnet und ihn unrettbar entlanggestoßen. Wie weit er sich selbst und vor allem warum er sich partiell selbst zugrunde gerichtet hat, darüber schweigt des Sängers Traurigkeit. Uwe hat die Wahrheit wohl ins Grab mitgenommen. Die Zeit der wechselseitigen Anklagen ist vorbei, jetzt regiert nur noch Klage. ___


___ Ich kannte Uwe Scholz von seinen Anfängen als hoffnungsvoller Choreograf in Stuttgart, wo ihm die spürsinnige Marcia Haydée auf vielfache Anregung durch Fritz Höver und mit liebevoller Unterstützung von allen Seiten die Chance gab, sich als Choreograf zu erproben. Sofort wurde deutlich, welch ganz besonderes Talent Uwe Scholz offenkundig eingeboren war. Man wies von Anfang an mit dem Zeigefinger nachdrücklich auf ihn hin. ___

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___ Vielleicht sogar zu sehr und zu eilig. Vielleicht legte man zu früh den Schnellgang ein, oder Uwe Scholz rang ihn sich selber ab, die steigenden Ansprüche, auch die an sich selbst, zu erfüllen. Ich erinnere mich mit Trauer, wie er damals bei mir zu Haus auf dem Teppich saß und meinem Fernseher die Videoaufzeichnungen seiner Ballette einfütterte, um sie meinem Freund Rudolf Nurejew zu zeigen. Nurejew leitete damals das Ballett der Opéra de Paris. ___

Klaus Geitel

Klaus Geitel. Quelle: Privat.

___ Rudolf nahm sich Zeit. Er sah sich alles gründlich und aufmerksam an. Dann aber tat er den Ausspruch, der Uwes künstlerisches Leben möglicherweise von Grund auf umkrempelte. Er sagte freundlich und durchaus anerkennend: »Die Posen sehe ich schon. Aber wo sind die Schritte?« ___


___ Ein kluger Satz! Er wies Scholz geradezu auf die künftigen großen sinfonischen Ballette hin, mit denen Scholz aus schöpferisch durchaus eigener Kraft künstlerisch Furore zu machen verstand. Er begann einzig mit Schritten, weit ausgesponnene Poeme zu dichten. Stärker und immer stärker gingen die Schritte seinr Choreografien seinen Vorlagen auf den kostbaren musikalischen Leim. Sie hafteten. Sie bildeten einen Zusammenhalt, den man auch Zusammenklang hätte nennen können. In ihren feinsten Momenten konnte man im jungen Uwe Scholz einen echtblütigen deutschen Erben des großen Georges Balanchine sehen. ___


___ Scholz konnte, als einer der wenigen, für große Ensembles choreografieren. Er wusste um die Schönheit des klassischen Tanzes. Er vertraute ihr und stellte sie leuchtend aus. Und einleuchtend noch dazu. Man hätte sie mit Augen, Herz und Hirn nachrechnen können. ___


___ Nun ist es ja eine spezielle Kunst, nicht nur tänzerisches Gewühl hervorzubringen, sondern choreografische Linien zu ziehen. Ich erinnere mich, dass mir vor vielen, vielen Jahren Maurice Béjart einmal gestand, er habe gegen seine choreografische Kurzatmigkeit ausdauernd ankämpfen müssen. Nach ein paar Schritten sei es immer schon mit seiner baumeisterlichen Imagination am Ende gewesen. Er habe daraufhin begonnen, tagtäglich Ballettunterricht zu geben und dabei seine Erfindungskraft, die Straffheit und Endlosigkeit der Linienführung zu erproben undd zu trainieren. ___

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___ Etwas Ähnliches dürfte wohl auch Uwe Scholz gelungen sein. In seinen größten Momenten schien er mit seinen Schritten in der Endlosigkeit großer handlungsloser Romane zu blättern, in Dichtungen für bewegte Körper auf schier unermüdlichen Füßen. Er wurde der Uwe Scholz, den wir heute betrauern. ___

Mit Giovanni di Plama


___ Er blieb ein zarter, empfindsamer Mensch, nicht geschaffen, ins Räderwerk organisatorischer Auseinandersetzungen zu geraten und sie auch noch mit heiler Haut zu bestehen. Er war wie eine Kerze, die sich an beiden Enden gleichzeitig wie von selber entzündet und unaufhaltsam, aber spektakulär niederbrennt. So war Uwes Leben. Dennoch - mit dem Schein dieser Kerze, gegossen aus seiner eigenen Existenz, überstrahlte er die Ballettwelt mit seinem im wahrsten Sinne des Wortes unverwechselbar eigenen Licht. ___


___ Udo Zimmermann sah es leuchten. Er half Uwe Scholz, er zwang ihn nach den demütigenden Zürcher Katastrophen durch sein energisches Vertrauen hier in Leipzig endlich auf den richtigen Weg. Aber dann zog es Zimmermann nach Berlin. Scholz weigerte sich, seine wundervolle Compagnie zu verlassen. Die Arbeit an der Schule aufzugeben. Er litt. Er trank. Er ruinierte seine sowieso zarte Gesundheit. Er war nicht mit seinem choreografischen, wie manche heucheln, er war mit seinem Lebenslatein am Ende. Er sank ins Grab. ___


___ An dem stehen wir nun wie verwaist. Wir denken an ihn voller Herzlichkeit. Wir applaudieren ihm nicht länger, wie wir es oft und voller Dankbarkeit und Bewunderung taten. Wir winken ihm nach voller Schmerz. Schlaf Dich aus, Uwe. ___


___ Mach's gut! ___


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